30 (+) Jahre Deutsche Fußball-Amateurmeisterschaft
Es ist jetzt über 30 Jahre her und wird immer mehr zur Legende: Die Deutsche Fußball-Amateurmeisterschaft des Offenburger FV. Am 16. Juni 1984 gewann der „Traditionsverein von der Badstraße“ vor 9.000 Zuschauern im Karl-Heitz-Stadion mit 4:1 gegen Eintracht Hamm...
Erläuterung: Nach der Reformierung des deutschen Fußballsports nach dem Zweiten Weltkrieg gab es ab der Saison 1950/51 neben der Deutschen Meisterschaft, die ausschließlich dem „bezahlten" Fußball vorbehalten blieb, auch eine Deutsche Meisterschaft der Amateure. Es ging hierbei um den vom Nürnberger Alt-Internationalen Carl-Riegel benannten Wanderpokal. Leider muß aber gesagt werden, daß diese Endrunden mehr und mehr eine Meisterschaft der "verhinderten Meister" geworden ist, denn von Anfang an zogen es die meisten Landes- bzw. Regionalmeister vor, an den Aufstiegsspielen zu den Vertragsklassen der 2. Ligen und später der Regionalligen teilzunehmen.
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Die Idylle war trügerisch: Hinter den Toren der landschaftlich reizvoll gelegenen südbadischen Sportschule am Fuße der Steinbacher Weinberge schweißte ein Trio den neuen Offenburger FV zusammen. Trainer Klaus Blawert, sein Assistent Rolf Müller und Spielleiter Paul Leinz fanden hier ideale Voraussetzungen für eine durch die Teilnahme an den Amateurmeisterschaftsspielen um zwei Wochen verkürzte Saisonvorbereitung. Der neuen Trainer gab die Zielvorgabe für sich und seine Mannschaft aus: An der Spitze mitspielen! Nach dem Erreichen der Vize-Meisterschaft im letzten Jahr wurde der OFV allerorts zum Titelfavoriten erklärt. Alle 18 Vereine der Oberliga Baden-Württemberg stuften ihn in die Spitzengruppe ein – der Tipp von 13 Vereinen: Meister wird Offenburg. Erstens kommt es anders – und zweitens als man denkt. Und weil dem gerade im Fußball so ist, verstand man die Welt in Offenburg nicht mehr. Nach einem miserablen Saisonstart war man vom Ziel einer Meisterschaft hier weit entfernt. Drei Tage vor dem Oberliga-Schlager gegen den Spitzenreiter VfR Aalen beurlaubte die Vorstandschaft des Offenburger FV ihren bisherigen Trainer Klaus Blawert. In einer Pressekonferenz erläuterten die Vorstandsmitglieder Klaus Göppert, Richard End und Spielleiter Paul Leinz die Gründe für den überraschenden Schritt. Der schwache Saisonstart, das Nachlassen der Mannschaft und die katastrophale Leistung zuletzt bei der 0:3-Niederlage in Pfullendorf waren ausschlaggebend für einen Wechsel auf der Kommandobrücke. Die mit namhaften Spielern verstärkte Mannschaft wurde mit der von vielen aufgedrängten Favoritenrolle nicht fertig.
Ein Trainerjob in Offenburg war im Übrigen fast genau so begehrt wie ein Arbeitsplatz im bezahlten Fußball. Unter den Trainerkandidaten befanden sich deshalb auch Rudolf „Rudi“ Kröner, Anton Rudinski und auch der ehrgeizige Hans Schiller. Der OFV präsentierte aber den bundesligaerfahrenen Manfred Krafft (SV Darmstadt 98). Der 46-Jährige Fußball-Lehrer erklärte in einer Pressekonferenz: “Ich habe es satt, untätig herumzusitzen und habe mich entschlossen, dem Offenburger FV zu helfen. Am Ende der Vorrunde werde ich mich entscheiden, ob ich das Training bis Saisonende fortführe.“ „Nicht jeder neue Besen kehrt gut und nicht jeder neue Trainer sorgt für die Wende“. Krafft´s Premierestück in der Oberliga fiel mit einer 0:3-Packung durch und die 2.800 Zuschauer im Karl-Heitz-Stadion pfiffen ihre Mannschaft aus. Manfred Krafft, der keinen Vertrag unterschrieben hatte, blieb keine drei Wochen und verließ den OFV nach zwei peinlichen Niederlagen in Richtung 1. FC Kaiserslautern. Seine niederschmetternde Bilanz: 0:5 Tore und 0:4 Punkte. Nach seinem kurzen Gastspiel gab er noch zu Wort: „Der OFV hat halt nur’ne Mannschaft mit Mittelmaß…“ Plötzlich standen sie ohne offiziellen Trainer da. Mit dem plötzlichen Absprung zum Betzenberg in die Pfalz habe man beim OFV nicht gerechnet, als Paul Leinz am 03. November 1983 um 06:00 Uhr morgens völlig konsterniert die Kündigung am Telefon entgegennahm. Wie aus nordrhein-westfälischen Fußballkreisen zu erfahren war, bot er sich während seines Engagements in Offenburg bei den Zweitligisten BV Lütringhausen und Rot-Weiß Essen an.
Jetzt stand der OFV vor einem Scherbenhaufen. Von der Schadenfreude der Konkurrenz ganz zu schweigen. Somit übernahm Interims-Coach Rolf Müller die Trainingsleitung und es schien wieder aufwärts zu gehen. Nach der 0:7-Schlappe am 13. November 1983 beim Absteiger FV Lauda wurde von der „schwärzesten Stunde“ des OFV gesprochen. Nur drei Tage später folgte mit dem 0:3-Pokal-K.O. gegen den „kleinen“ Landesligisten FV Ebersweier im Karl-Heitz-Stadion eine noch schwärzere und hatte das Image des südbadischen Oberligisten derart angekratzt, daß nur noch wenig Hoffnung auf Besserung vorhanden war. Diese Niederlage hatte Konsequenzen. Der OFV war ein einziges Pulverfass. Ratlosigkeit und Hilflosigkeit machten sich rund um das Karl-Heitz-Stadion breit. Manche sprachen von chaotischen Verhältnissen. Zu groß waren die Erwartungen, zu groß der Erfolgsdruck auch für eine nervös gewordene Vorstandscrew, die nun zum Handeln gezwungen war. Einen Trainer, der nur große Sprüche klopft, konnte der OFV am wenigsten gebrauchen. „Alles was man spontan macht, kann falsch sein“, sagte Spielleiter Paul Leinz, der aber zugestand, daß möglicherweise schon im Heimspiel gegen die KSC-Amateure nach Klaus Blawert, Manfred Krafft und Rolf Müller ein vierter Trainer auf der Bank sitzen wird. Die Ex-Nationalspieler Wolfgang Weber, Hans Tilkowski, Siegfried „Siggi“ Held – drei mögliche Kandidaten? Ein Mann wie der exzellente Oberliga-Kenner Emil Kühnle (SV Neckargerach) schien für den OFV auch nicht der richtige Mann zu sein, um den verfahrenen Karren aus dem Dreck zu ziehen. Und Interims-Coach Rolf Müller wollte nicht mehr…
Unter fünfzehn Bewerbern aus ganz Deutschland entschied sich die Vorstandschaft für den 42-jährigen Karl-Heinz „Kalla“ Bente als neuen Trainer. Als Kenner der OFV-Szene und der Oberliga Baden-Württemberg erhielt „Kalla“ Bente einen Vertrag bis zum Saisonende. Auf der Strecke blieben dabei so klangvolle Namen wie der des Jugoslawen Slobodan Cendic (Alemannia Aachen, SC Charlottenburg). Auch Emil Kühnle – als hart aber besonnen bekannt – bekam einen Korb.
Am 17. November 1983 übernahm der charismatische „Kalla“ Bente als Teamchef beim südbadischen Oberligisten und machte aus einem komplizierten Geflecht von fast untrainierbaren Stars wieder eine Mannschaft. Nur zwei Trainingsabende standen dem neuen Trainer zur Verfügung, um die auf dem Tiefpunkt befindliche Mannschaft neu zu formieren. „Ihr dürft auch Fehler machen, aber die Disziplin und taktische Marschrichtung müßt ihr einhalten“, gab „Kalla“ Bente seiner Truppe mit auf den Rasen. Mit 18:16 Punkten lag der OFV nur auf einem mageren Mittelfeldplatz (10.). Am 19. November 1983 erlebten 1.000 Besucher im Karl-Heitz-Stadion einen 2:0-Sieg des OFV gegen die defensiv spielenden Amateure des Karlsruher SC. „Die Situation war für uns klar. Wir mußten das Spiel gewinnen und das haben wir geschafft. Mit der kämpferischen Einstellung und mit der Disziplin meiner Truppe war ich zufrieden. Erfreulich war die Steigerung in der zweiten Halbzeit…“, so der neue Trainer. Bentes anschließende Ausbeute: Vier Siege aus fünf Spielen und Spielleiter Paul Leinz resümierte: „Er ging in seiner Aufgabe auf.“
Sie schämen sich ihres Schmerzes und ihrer Tränen nicht. In den wenigen Wochen seit Mitte November 1983 hatten sie ihren neuen Trainer ins Herz geschlossen. Die Mannschaft erlebte am Mittwochabend des 25. Januar 1984 eine ihrer bittersten Stunden. Tags zuvor hatten sie sich noch mit witzigen Worten vom Training verabschiedet, wenige Stunden später war Karl-Heinz „Kalla“ Bente tot. Am Morgen dieses Wintertages wurde an der Autobahn A5 nahe Teningen aus dem angrenzenden Wald ein Auto-Wrack geborgen. In den Überresten eines dunkelgrünen Porsche 911 mit dem Kennzeichen „FR-EH 750“ lebte „Kalla“ Bente zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr.
Wie geht es weiter beim OFV? Überwindet die Mannschaft den Schock nach dem plötzlichen Unfalltod ihres qualifizierten Trainers? Diese Fragen bewegten in den letzten Tagen nicht nur die Anhänger des OFV. Geradezu trotzig reagierten fast alle Spieler auf das Thema „Neuverpflichtung eines Trainers“. „Wir wollen so weitermachen wie es im Sinne von „Kalla“ Bente gewesen ist. Wir brauchen keinen neuen Trainer, wir haben genug Moral und Substanz. Wir spielen ab sofort nur noch für unseren verstorbenen Trainer!“ Felsenfest klang diese Meinung der gesamten Mannschaft, die sich als echte Einheit präsentierte. Alfred Metzler übernahm mit einer anfänglichen Notlösung heraus die Trainerrolle und es entwickelte sich bald eine gut funktionierende Zusammenarbeit. Als beste Rückrundenmannschaft standen die Offenburger fünf Spieltage vor Saisonende mit 37:21 Punkten auf Rang vier, drei Punkte hinter Tabellenführer Freiburg. Ein 2:2-Unentschieden im Kuppenheimer Wörtel-Stadion warfen den OFV theoretisch aus dem Titelrennen, obwohl in der Meisterschafts- als auch in der Aufstiegsfrage so gut wie noch nichts entschieden war. Zwei Spieltage vor Saisonende kam ein 2:1-Erfolg bei den KSC-Amateuren zu spät, um noch ein Fünkchen Hoffnung auf den Titelgewinn zuhaben. In den letzten 90 Minuten der Saison 1983/84 ließ sich ein glänzend aufgelegter Offenburger FV „die Butter nicht mehr vom Brot nehmen“ und schlug im Jahn-Stadion die SpVgg. Ludwigsburg sicher und überzeugend mit 5:2-Toren. Trotz der optimalen Punkteausbeute aus den letzten vier Spielen reichte es lediglich für Platz zwei hinter Meister Freiburger FC. Als Trost für eine verpaßte Meisterschaft blieb wieder „nur“ die Teilnahme an den Spielen um die Deutsche Fußball-Amateurmeisterschaft. Doch diese Teilnahme ging in die Geschichte des Vereins ein...
* Update: 08. März 23
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Der Weg ins Finale - 1. Runde (Hinspiel) am 26. Mai 1984 • Begegnung Tennis Borussia Berlin – Offenburger FV 2:1 (-:-) • Aufstellung Müller, Bruder, Hertwig, Schmidt, Kern, Hartmann, Trenkel, Kornetzki, Schmider, Hertweck, Anderer (76. Todzi) • Tore -- • Schiedsrichter Krohn (--) • Zuschauer 439 (2.000) • Besondere Vorkommnisse Schmidt (68. Rote Karte wg. Linienrichterbeleidigung)
Der Weg ins Finale - 1. Runde (Rückspiel) am 31. Mai 1984 • Begegnung Offenburger FV – Tennis Borussia Berlin 4:1 (3:0) • Aufstellung Müller, Hertwig, Kern (76. Linsenmaier), Kornetzki, Bruder, Schmider, Todzi, Hartmann, Anderer, Trenkel, Hertweck • Tore 1:0, 2:0 Anderer (4., 12.), 3:0 Todzi, (37.), 3:1 (60.), 4:1 Hertweck (87.) • Schiedsrichter Matheis (Rodalben) • Zuschauer 2.000 • Besondere Vorkommnisse --